H O M E

   P A P E R S
   by author
  by issue

   M I S S I O N

   C O N T A C T
 
I S S U E    N O .    3 1    [ D E Z E M B E R    2 0 0 2 ]

Susanne Günthner

Zum kausalen und konzessiven Gebrauch des Konnektors wo im gegenwärtigen Deutsch

Wir alle kennen wo als Frageadverb zur Markierung einer Leerstelle für eine Lokalbestimmung ("und jetzt wo is der HAken?"). Ferner kennen wir wo als Relativadverb, das neben einer lokalen Beziehung ("es gibt ja hier au total äh hyg-hygienisch aussehende restaurants wo de salmonellen kriegsch") noch weitere Inhaltsbeziehungen einleiten kann ("des isch (wiedermo:l) ne iDEE (.) wo du ECHT net WEISCH, hh. woher se KOMMT.").

Darüber hinaus wird wo in der Umgangssprache aber auch als Konjunktion bzw. als Subjunktor verwendet und zwar zur Einleitung eines temporalen, kausalen und sogar konzessiven Adverbialsatzes:

VIDEO (Baden-Württemberg)

21 Bea: mi hat heut morge schon der SCHLAG troffe;

22 wo ich des videogerät gsehe hab.

 

ALKOHOL (HÖRBELEG: Baden-Württemberg)

01 Anna: trink lieber nix,

02 wo du so erkältet bisch.

 

DIE NACHBARIN (Baden-Württemberg)

75 Ulla: ha DIE (.) die will STÄNDdig komme,

76 (.) ond SCHWÄTZe,

77 SCHWÄTZe, SCHWÄTZe;

->79 hh' wo i doch koi ZEIT han für so [ebbes.]

In allen drei Beispielen leitet wo einen subordinierten Adverbialsatz ein: In VIDEO erhält die wo-Konstruktion die Lesart einer Temporal-, in ALKOHOL einer Kausal- und in DIE NACHBARIN einer Konzessivangabe.

Die Tatsache, dass ein einzelner Konnektor in seiner synchronen Verwendung nicht nur eine temporale, sondern darüber hinaus sowohl eine kausale als auch eine konzessive Verknüpfung einleiten kann, ist zunächst einmal deshalb erstaunlich, weil Kausalität und Konzessivität traditionell als Oppositionsrelationen betrachtet werden: Konzessivität impliziert die Negation einer möglichen kausalen Relation.

Die Fragen, die sich angesichts der konjunktionalen Verwendung von wo im gegenwärtigen Deutsch aufdrängen, sind folglich:

(1) Welche strukturellen und funktionalen Merkmale haben die verschiedenen Verwendungsweisen des Konnektors wo?

(2) Wie kommt die jeweilige temporale, kausale bzw. konzessive Interpretation zustande? Ist die jeweilige Interpretation vom situativen Gebrauchskontext abhängig? Gibt es gelegentlich interpretative Vagheiten? Existiert gar ein Überlappungsbereich zwischen den Relationen?

(3) Was könnten mögliche Gründe dafür sein, dass SprecherInnen den multifunktionalen Konnektor wo einsetzen, anstatt traditionelle temporale, kausale und konzessive Konnektoren (wie als, weil/da/denn und obwohl) zu verwenden? Gibt es also bestimmte situative oder sequentielle Kontexte, in denen SprecherInnen bevorzugt wo einsetzen?

(4) Handelt es sich hinsichtlich der Polyfunktionalität des Konnektors wo um einen Sonderfall, oder gibt es Konnektoren mit vergleichbaren multiplen Verwendungsweisen? Wenn ja, wie sind diese zu erklären?

Zur Beantwortung dieser Fragen ist es notwendig, den konjunktionalen Gebrauch von wo im interaktionalen Kontext zu untersuchen.



 Published as:
Günthner, Susanne (2002). Zum kausalen und konzessiven Gebrauch des Konnektors wo im gegenwärtigen Deutsch. Zeitschrift für Germanistische Linguistik 30:3, 310-341.

 

DOWNLOAD

InLiSt No.30
PDF (346 KB)


ADOBE
READER
Get Acrobat Reader

RELATED LINKS
Homepage of Prof. Dr. Susanne Günthner

Institute of German Studies, University of Münster

[top] 


[ H O M E P A G E | P A P E R S by author | P A P E R S by issue | C O N T A C T ]

© 1998-2009 University of Potsdam, Prof. Dr. Elizabeth Couper-Kuhlen, Professor of English Linguistics.
2010 University of Bayreuth, Prof. Dr. Karin Birkner, Professor of German Linguistics.