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Susanne Günthner
Wenn-Sätze im Vor-Vorfeld

Ihre Formen und Funktionen in der gesprochenen Sprache


Unsere Sprache erlaubt es uns nicht nur, darüber nachzudenken, was ist und was war, sondern auch darüber, was unter anderen Voraussetzungen hätte sein können, und was unter Umständen sein wird. Eine Möglichkeit, um solche "mentalen Räume" (Fauconnier 1985) zu konstruieren, in denen die betreffenden Ereignisse stattfinden, bieten Konditionalkonstruktionen:

JAHRMARKT
24Kira: wenn ich den sehen würd,
25 w- würd ich ihn direkt drauf ansprechen.


SCHWÄBISCHES KOCHBUCH: KARTOFFELSALAT
24Rolf: wenn do: majonäse drin isch,
25 dann kommts morge zrück (.) des buch.

Der wenn-Satz bzw. die Protasis baut einen "mentalen Raum" auf ("wenn ich den sehen würd"; "wenn do: majonäse drin isch"), über den dann in der Apodosis etwas ausgesagt wird ("w- würd ich ihn direkt drauf ansprechen"; "dann kommts morge zrück (.) des buch."). In der Regel geht bei diesen Konstruktionen die Protasis und damit der "space-builder" (Fauconnier 1985) der Apodosis voraus. Im Deutschen sind die beiden Teilsätze syntaktisch insofern eng verbunden, als der Hauptsatz (die Apodosis) entweder mit dem finiten Verb einsetzt ("w- würd ich ihn direkt drauf ansprechen") und damit die syntaktische Integration des vorausgehenden Teilsatzes markiert, oder aber mit einem resumptiven Element ("dann", "so") eingeleitet wird ("dann kommts morge zrück (.) des buch.").

Gelegentlich treffen wir jedoch auf wenn-Konstruktionen, bei denen der wenn-Satz nicht in das folgende Syntagma integriert ist, sondern die Apodosis die Verbstellung eines unabhängigen Hauptsatzes aufweist:

KINDERGARTEN
45Mira: wenn du luscht hasch und=zeit, (0.5)
46 wir machen morgen en kindergottesdienst (.)
47 in der lutherkirche.

Bisherige Untersuchungen zu Formen und Funktionen solcher unverbundener wenn-Konstruktionen beruhen primär auf schriftsprachlichen bzw. erfundenen Beispielen (König/van der Auwera 1988; Thim-Mabrey 1988; Köpcke/Panther 1989; Peyer 1997), so daß die für die gesprochene Sprache wesentlichen Aspekte der prosodischen und interaktiven Strukturierung dieses Phänomens von vornherein aus der Untersuchung ausgeschlossen sind.
Im vorliegenden Beitrag sollen nun Formen und Funktionen dieser nicht-integrierten wenn-Konstruktionen in der gesprochenen Sprache näher beleuchtet und dabei folgende Fragen diskutiert werden:
  1. Wie können nicht-integrierte wenn-Konstruktionen innerhalb der Topologie deutscher Sätze beschrieben werden?
  2. Welche Typen nicht-integrierter wenn-Konstruktionen treten in der gesprochenen Sprache auf?
  3. Welche Funktionen haben diese vorgelagerten wenn-Teilsätze?
Datengrundlage der Analyse bilden 49 Gespräche, die in der Bundesrepublik in den Jahren 1983-1998 aufgezeichnet wurden. Diese umfassen 30 Familientischgespräche bzw. Interaktionen in Wohngemeinschaften; acht informelle Telefongespräche unter Freund/innen und Verwandten; sechs Beratungsgespräche im Radio, zwei Aufnahmen von wissenschaftlichen Kolloquien an einer deutschen Hochschule; zwei Beratungsgespräche mit Versicherungsvertreter/innen; sowie ein Gespräch, das einer Schulung von Flugbegleiter/innen zum Thema "interkulturelle Kommunikation" entstammt.

 Published as:
Günthner, Susanne (1999). Wenn-Sätze im Vor-Vorfeld: Ihre Formen und Funktionen in der gesprochenen Sprache. Deutsche Sprache 3, 209-235.

 

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InLiSt No.10
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Institute of German Studies, University of Münster


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© 1998-2009 University of Potsdam, Prof. Dr. Elizabeth Couper-Kuhlen, Professor of English Linguistics.
2010 University of Bayreuth, Prof. Dr. Karin Birkner, Professor of German Linguistics.